Derzeit wird viel über mögliche Abschlussprüfungen für den MSA und das Abitur an Berliner Schulen diskutiert. Der Plan der Senatsverwaltung sieht vor, die Prüfungen ab dem 20.4. beginnen zu lassen. Warum das keine gute Idee ist...
Die Abschlussprüfungen an Berliner Schulen können nicht wie geplant ab dem 20.4. stattfinden. Diese Kritik wurde von Schulleiterverbänden, dem Landesschülerausschuss und weiteren zivilgeselleschaftlichen Gruppen vorgebracht. Auch die GEW Berlin hat Bedenken geäußert. Wir als "Schule in Not" schließen uns der bereits vorgebrachten Kritik an und fordern, die derzeit geplanten Prüfungen zu verschieben und gegebenenfalls für dieses Schuljahr ganz abzusagen.
Warum?
1. Abschlussprüfungen in dieser gesellschaftlichen Ausnahmesituation verursachen Stress
Für alle von uns bringt die derzeitige Situation Veränderungen mit sich. Das gilt auch für Schüler*innen. Diese Veränderungen sind zum Teil belastend - zusätzlich zum bereits bestehenden Prüfungsdruck. In solch einer Situation sollten Schüler*innen keine Prüfungen schreiben müssen.
2. Die Durchführung der Abschlussprüfungen verstärkt die Bildungsungleichheit
Besonders betroffen von der derzeitigen Ausgangssperre sind Schüler*innen, die keine ruhige Lernumgebung haben und die von ihrem Umfeld wenig Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung bekommen können. Schüler*innen, deren Familien durch die Corona-Krise auch finanziell stark betroffen sind, müssen sich gerade mit anderen Dingen als mit der Prüfungsvorbereitung auseinandersetzen.
Eine faire und auch nur halbwegs bildungsgerechte Durchführung der Abschlussprüfungen ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Das Festhalten am jetzigen Prüfungsplan heißt, weitere Bildungsungleichheit in Kauf zu nehmen.
3. Gesundheit geht vor Prüfungszwang
Wir hören aus Schulen, von Pädagog*innen und Schüler*innen große Bedenken, dass die Prüfungen wirklich unter hygenisch sicheren Bedingungen durchgeführt werdem können - und zwar für alle Beteiligten. Diese Bedenken gilt es ernst zu nehmen.
4. Solidarität statt prüfungsfixiertem Bildungsverständnis
Lässt sich die persönliche Entwicklung in 10, 12 oder 13 Schuljahren in einer Handvoll Abschlussprüfungen ablesen? In manchen Medienbeiträgen der letzten Wochen wirkt es so, als ob ein Schulabschluss ohne zentrale Abschlussprüfungen 'defizitär' wäre, wie es z.B. in dem Begriff "Notabitur" zum Ausdruck kommt.
Doch ist dieser Begriff irreführend. Das Abitur 2020 wäre ein ganz normales und anzuerkennendes Abitur, in das die vor den Abschlussprüfungen erbrachten Lern- und Prüfungssleistungen stärker eingeflossen sind. Gleiches gilt für den MSA.
Die Anerkennung der Berliner Abschlüsse durch die Kultusministerkonferenz (KMK) muss gewährleistet werden. Die KMK hat selbst zugesichert, die Abschlüsse anzuerkennen „für den Fall, dass Abschlussprüfungen gar nicht durchgeführt werden können“. Und genau dieser Fall ist derzeit gegeben.
In dieser Situation sollte Solidarität miteinander über konkurrenzbasierten Vorstellungen von Vergleichbarkeit stehen. Diese Solidarität sollten auch die Bundesländer vorleben und die gegenseitige Anerkennung von Abschlüssen bekräftigen, unabhängig davon, ob in einem Bundesland ein Teil der Prüfung bereits stattgefunden hat.
5. Absage der Abschlussprüfungen zum jetzigen Zeitpunkt
Die Senatsbildungsverwaltung sollte die für den Zeitraum ab dem 20.4. geplanten Prüfungen absagen. Sollten auch in den nächsten Wochen die Voraussetzungen nicht bestehen, die Prüfungen unter der Berücksichtigung von Chancengleichheit (im Rahmen unseres gegenwärtigen Bildungssystems), der allgemeinen gesellschaftlichen Situation und der hygienischen Vorkehrungen und Ausstattung durchzuführen, gilt es, sie gänzlich abzusagen.
Sollten manche Schüler*innen Abschlussprüfungen freiwillig ablegen wollen, könnte nach Wegen geschaut werden, dies - unter den gerade genannten Bedigungen und zum gegebenen Zeitpunkt - zu ermöglichen.
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