Hintergrundpapier zur Pressekonferenz von Schule in Not e.V., GEW und ver.di am 08.02.2023
Über 25.000 Berlinerinnen und Berliner haben sich für eine Rückführung der Schulreinigung in den öffentlichen Dienst eingesetzt. Sie haben Unterschriften gesammelt, demonstriert, in acht Berliner Bezirken Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlungen herbeigeführt und haben mit den Parteien im Abgeordnetenhaus gesprochen. Letztendlich haben die SPD, die Grünen und die Linke in ihren Koalitionsvertrag das Ziel der Rekommunalisierung aufgenommen und 2023 sollte es losgehen.
Behörden-Ping-Pong
Seitdem haben Senat und Bezirke mit dem bekannten Behörden-Ping-Pong den Einstieg verhindert - allen Absichtserklärungen zum Trotz. Das weitere Vorgehen ist auf allen Ebenen völlig intransparent und einen konkreten Starttermin gibt es bis heute nicht. Finanzsenator Daniel Wesener hat erklärt, die Finanzierung für die Einstiegsbezirke wäre geklärt, die Bezirke jedoch verneinen das. Zwar haben sich mindestens drei Bezirke bereit erklärt, mit dem Einstieg in die Rekommunalisierung zu beginnen. Der Senat hat daraufhin allerdings nur eine Arbeitsgruppe unter Federführung der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie gebildet. Und diese hat es bisher lediglich geschafft, sich für die Folgejahre eine extrem langgezogene Agenda zu geben.
Systematisch in die Länge gezogen
So sollen zunächst bis Ende 2023 verbindliche Standards für die Reinigung vereinbart werden. Die Senatsverwaltung für Bildung ist freilich auch nicht die zuständige Fachverwaltung. Sie regelt innere Angelegenheiten der Schulen. Für äußere Angelegenheiten wie Reinigung oder Baumaßnahmen fehlt dort die Kompetenz. Dafür sind in erster Instanz die Bezirke zuständig.
Der Verein „Schule in Not“ hat gemeinsam mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Bezirken und der Regierungskoalition seit Monaten ein Tool angeboten, welches von Verwaltungsfachleuten entwickelt wurde und den Aufwand an Personal, Material und Geräten für einzelne Schulcluster genau bestimmen kann. Damit könnte man sofort in die konkrete Planung einsteigen. Das Bündnis Saubere Schulen hat mehrfach angeboten, den Prozess gemeinsam zu begleiten. Jedoch äußern die bezirklichen Stellen lieber immer wieder neue Zweifel an der Umsetzbarkeit, anstatt diese Zweifel endlich durch zielgerichtete Planung zu beseitigen.
Nebelkerzen ersetzen konkretes Handeln
Immer wieder werden von Bezirken oder auf Landesebene Nebelkerzen geworfen. Zum Beispiel lobt man die Verstetigung der Tagesreinigung als Lösung aller Probleme mit den verschmutzten Schulen. Dabei hat niemand etwas gegen Reinigung am Tage. Das wäre bei Reinigungskräften im öffentlichen Dienst leicht zu organisieren. Tagesreinigung ist an sich zu begrüßen. Aber der Großteil der Unterhaltsreinigung wird nicht bei laufendem Schulbetrieb stattfinden können. Von Mischformen der Eigen- und Fremdreinigung raten Verwaltungsexperten außerdem dringend ab. Und mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen muss bei allen Reinigungskräften Schluss sein. Es geht um saubere Schulen und gute Arbeitsbedingungen. Niemandem ist geholfen, wenn manche Reinigungskräfte tagsüber arbeiten und andere nachmittags und nachts weiterhin unter hohem Zeitdruck unbezahlte Überstunden machen oder sich bei der Reinigung zwischen Klassenraum und Klo entscheiden müssen.
Aus den einzelnen Bezirken kommen unterschiedliche Signale. Viele schreiben die Schulreinigung munter weiter über Jahre an private Firmen aus, um die kommunale Lösung zu verhindern, zum Beispiel Lichtenberg. Andere spielen auf Zeit, wie der Stadtrat von Friedrichshain/ Kreuzberg Andy Hehmke, der verkündete, die Rekommunalisierung starte 2026. Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel plant überhaupt nicht mehr, mit der Rekommunalisierung der Schulreinigung noch 2023 zu beginnen. Er möchte die Reinigungskräfte bei der „Gemeinsamen Geschäftsstelle Schulbauoffensive der Berliner Bezirke“ anstellen, was auf eine Landeslösung hinauslaufen würde. Aber auch diese Variante der Umsetzung des Koalitionsvertrags funktioniert nicht, wenn das Land Berlin seinen Willen dazu nicht kundtut und nicht anfängt, die nötigen Stellen zu planen und auszuschreiben. Aus Sicht des Bündnisses Saubere Schulen wird hier seitens der Verantwortlichen mit Nebelkerzen hantiert, um konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Rekommunalisierung der Schulreinigung zu umgehen.
Bezirksämter scheinbar unwillens
Die Haltung vieler Bezirksämter ist ein Skandal. Der Wille vieler engagierter Bürgerinnen und Bürger wird ignoriert, der Wille, der sich in Beschlüssen zur Rekommunalisierung niederschlägt. Diese Haltung lässt sich so zusammenfassen: Die Bezirksämter haben keine Ideen, angeblich kein Geld, augenscheinlich keine Lust, aber vor allem keinen Respekt vor den Kindern, die eine mangelnde Schulreinigung am meisten trifft! Und sie haben keinen Respekt vor den Reinigungskräften, die zu geringem Lohn und unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten. Es fehlt an Respekt vor den demokratisch getroffenen Entscheidungen in den Bezirksverordnetenversammlungen. In Neukölln stimmten im Frühjahr 2020 45 von 46 Bezirksverordneten für die Rekommunalisierung. Trotz eindeutiger Beschlusslage erklärt sich Bezirksbürgermeister Hikel für nicht in der Lage, diesen Beschluss und weitere umzusetzen. Er verweist auf die Landesebene und diese verweisen auf die Bezirke, womit das Behörden-Ping-Pong in gewohnter Manier weitergeht.
Schluss mit den leeren Versprechungen! Das Bündnis Saubere Schulen fordert:
Saubere Schulen! Gute Arbeit!
Ein sofortiges Ende dieser organisierten NICHTZUSTÄNDIGKEIT und NICHTVERANTWORTLICHKEIT. Alle Betroffenen von der Mangelreinigung und prekärer Beschäftigung brauchen einen konkreten und kurzfristigen Zeitplan zur Umsetzung der Rekommunalisierung, auf den sie sich verlassen können.
Das Bündnis Saubere Schulen muss beim Senat zu der AG Rekommunalisierung eingeladen werden und muss dort mitarbeiten können!
Die vom Senat gegründete AG Rekommunalisierung muss offenlegen, wer dort mit am Tisch sitzt, wann und wie oft die AG tagt und die Inhalte der Verhandlungen der Öffentlichkeit regelmäßig zugänglich und somit transparent machen. 25.000 Unterschriften in Berlin für die Rekommunalisierung sind nicht für die Mülltonne! Den Willen von Bürgerinnen und Bürgern ernst nehmen!
Zitate
“Seit über drei Jahren kämpft Schule in Not für saubere Schulen und gute Arbeit in der Schulreinigung und fordert die Rekommunalisierung. Trotz Beschlüssen in acht Bezirken und der Verpflichtung der rot-grün-roten Koalition 2023 mit dem Wiedereinstieg in die Eigenreinigung der Schulen im Land Berlin sehen wir weiter nur Behörden-Ping-Pong und organisierte Nichtzuständigkeit sowohl auf Senats- wie auch auch auf Bezirksebene. Die politischen Entscheidungsträgerinnen haben offenbar keine Ideen, keine Lust, angeblich kein Geld und vor allem haben Sie keinen Respekt vor den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, den Schülerinnen und Schülern und den Reinigungskräften, die zu viel zu geringem Lohn und miesen Bedingungen ihrer Arbeit nachgehen. “ – Jörg Tetzner, Schule in Not e.V.
“Der schlechte Zustand unserer Schulen zeigt, welchen Stellenwert Bildung in unserer Gesellschaft hat. Gut Lernen und Arbeiten lässt es sich nur in sauberen und gepflegten Schulen. Damit wir diese endlich bekommen, brauchen wir die verlässliche Tagesreinigung. Dazu müssen Reinigungskräfte wieder in den Bezirken zu vernünftigen Bedingungen angestellt sein. Für eine gute Zusammenarbeit und die zügige Beseitigung unhygienischer Zustände ist der Austausch mit den Reinigungskräften vor Ort nötig. Ständig wechselnde Reinigungskräfte, die mit den Örtlichkeiten nicht vertraut sind, erschweren die Arbeit von Lehrer:innen zusätzlich. Das sollte auch vor dem Hintergrund des Lehrkräftemangels berücksichtigt werden.” – Laura Pinnig, GEW BERLIN
„Anstatt die ehrenamtlich bereitgestellte Fachkompetenz seitens des Vereins „Schule in Not“ und das von ver.di entwickelte Tool zur Planung und Umsetzung direkt vor Ort zu nutzen, begegnen uns die Selbstbeschäftigung seitens Bedenkenträger:innen, die Respektlosigkeit gegenüber demokratisch getroffener Entscheidungen in den Bezirken und das bewusste Aussitzen eines überfälligen Prozesses. Gerade in den aktuellen herausfordernden Zeiten ist es umso wichtiger, die Demokratie mit konkreten und sichtbaren Taten zu stützen. Dazu gehört die ernsthafte Gestaltung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte. Guter Lohn und gute Arbeitsbedingungen wirken sich direkt auf unsere Kinder, die Gesellschaft und die erlebbaren, in Taten sichtbaren demokratischen Prozesse aus." – Katja Boll, Branchenkoordinatorin/ Gewerkschaftssekretärin bei ver.di.
Eine von ver.di erstellte Übersicht zum Thema Rekommunalisierung der Schulreinigung finden Sie auf: https://gemeinden-bb.verdi.de/themen/++co++ad4beadc-5a34-11eb-b2cb-001a4a160116
Bei Rückfragen stehen Ihnen folgende Ansprechpartner*innen gerne zur Verfügung:
Schule in Not e.V.: Jörg Tetzner, www.schule-in-not.de, info@schule-in-not.de
ver.di: Katja Boll, www.gemeinden-bb.verdi.de, katja.boll@verdi.de GEW: Laura Pinnig, www.gew-berlin.de, laura.pinnig@gew-berlin.de
Pressekontakt Schule in Not e.V.: Susanne Kühne, 0176.45021496
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